Krank durch Arbeit?

Berufskrankheiten im Metallhandwerk

In jedem Berufsfeld sind Beschäftigte speziellen Belastungen oder Gefahren ausgesetzt. Wenn nachweisbar ist, dass Erkrankungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus den besonderen Belastungen im Beruf entstanden sind, können sie als Berufskrankheiten anerkannt werden. Dr. Bernd Rose, Chemiker und Fachreferent im BGHM-Sachgebiet Arbeitsmedizin, Berufskrankheiten und Organisation des Arbeitsschutzes, erläutert, welche Berufskrankheiten im Metallhandwerk am häufigsten vorkommen und was Beschäftigte und Arbeitgeber tun sollten, um berufsspezifischen Erkrankungen vorzubeugen.

Welches sind häufige Berufskrankheiten im Metallhandwerk?

Dr. Bernd Rose: Im Jahr 2019 gingen insgesamt 16.896 Verdachtsanzeigen auf eine Berufskrankheit bei der BGHM ein. Dies umfasst alle bei der BGHM versicherten Betriebe des holz- und metallverarbeitenden Gewerbes. Häufige Berufskrankheiten-Verdachtsfälle im metallverarbeitenden Gewerbe sind unter anderem die BK 2301 Lärmschwerhörigkeit, BK 5101 Hauterkrankungen sowie BK 4103 Asbestose.

Welche Ursachen können diese Berufskrankheiten haben?

Dr. Bernd Rose: Bezüglich der Berufskrankheit Schwerhörigkeit durch Lärmeinwirkung (BK 2301) zählen für die bei der BGHM versicherten Betriebe Maschinenlärm, Abblasvorgänge mit Druckluft ohne lärmgeminderte Düsen sowie das Nichttragen von Gehörschutz zu den möglichen Ursachen. Immer wieder werden die Lärmminderungsmaßnahmen im Betrieb nicht so umgesetzt, wie es die Lärm-Vibrations-Arbeitsschutzverordnung fordert, um die Beschäftigten wirksam zu schützen.

Bei der Berufskrankheit „Hauterkrankungen“ (BK 5101) sind ganz überwiegend die Hände und Unterarme betroffen. Im Metallhandwerk können unter anderem Arbeiten mit flüssigen Betriebsstoffen wie Ölen, Fetten, Kühlschmierstoffen und Reinigern ursächlich für eine Erkrankung sein. Zum Teil sind an den Arbeitsplätzen hautreizende, insbesondere alkalische und saure Arbeitsstoffe an der Störung der Barrierefunktion der Haut beteiligt und schädigen sie über Jahre hinweg. Zusätzlich können auch Allergien auf verschiedene Inhaltsstoffe die Folge sein.

Der Einsatz von Hautschutz- und Hautpflegemitteln sowie hautschonenden Reinigungsmitteln und – wo es möglich ist – das Tragen von geeigneten Handschuhen wären hier vonnöten. Weitere Präventionsmaßnahmen sind regelmäßige arbeitsmedizinische Vorsorge und Reduzierung der Tätigkeiten mit hautbelastenden Stoffen.

Bei den Erkrankungen durch Asbest handelt es sich überwiegend um Fälle, die auf den unge-schützten Kontakt mit Asbest vor vielen Jahren zurückgehen. Asbest wurde seit den 1960er Jahren vielfältig eingesetzt und verarbeitet – ist aber seit 1993 in der Bundesrepublik Deutsch-land verboten. Arbeiten an asbesthaltigen Materialien dürfen nur unter den besonderen Vor-gaben der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 519 vorgenommen werden.

Welche grundsätzlichen Präventionsmöglichkeiten gibt es? Was können Arbeitgeber tun?

Dr. Bernd Rose: Unternehmensverantwortliche sollten zunächst die „Klassiker“ des Arbeitsschutzes anwenden: Gefährdungsbeurteilungen durchführen und konsequent umsetzen, Unterweisungen durchführen und die Aufsichtsverantwortung wahrnehmen. Sie sollten also Analysen des Arbeitsbereichs durchführen und entsprechende Maßnahmen ableiten.

Weiterhin raten wir: Schaffen Sie eine Kultur der Prävention. Das Ziel „Arbeitsschutz“ sollte nicht wirtschaftlichen Interessen untergeordnet, sondern als ein Mittel angesehen werden, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Lassen Sie sich von dem Gedanken leiten, dass die Häufigkeit zum Beispiel verhaltensbedingter Unfälle ein Spiegelbild Ihrer Sicherheitskultur ist. Nehmen Sie auch Hinweise der Beschäftigten ernst und reagieren Sie darauf mit sichernden Maßnahmen. Last but not least: Nutzen Sie die Unterstützungs- und Präventionsangebote der BGHM.

Und was können die Beschäftigten, also Ihre Versicherten selbst tun?

Dr. Bernd Rose: Sie sollten vor allem die Sicherheitsanweisungen der Führungskräfte strikt beachten und das in den Unterweisungen Erlernte auch anwenden. Schutzkleidung muss getragen und Hörschutz verwendet werden, um wirksam zu sein. Außerdem sollten die Beschäftigten auf sich selbst und andere achten und zuständige Führungskräfte über gefährliche Situationen und Gefahrenstellen informieren. Schließlich sollten sie auch selbstbewusst Anweisungen hinterfragen, die ihrer Sicherheit widersprechen.

Welche Präventionsangebote macht die BGHM für Versicherte und Mitgliedsbetriebe?

Dr. Bernd Rose: Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall bietet Mitgliedsbetrieben vielfältige präventive Beratungs- und Unterstützungsangebote. Ansprechpartner ist hierfür die für den jeweiligen Betrieb zuständige Aufsichtsperson. Die Beratungen erfolgen dann themenbezogen, beispielsweise zur Lärmminderung im Betrieb, oder systemisch, etwa bei unserem Angebot zum Aufbau eines Arbeitsschutzmanagementsystems (Gütesiegel „Sicher mit System“).

Ein wesentlicher Bestandteil der Präventionsarbeit ist außerdem die Qualifizierung im Arbeitsschutz für verschiedene Zielgruppen wie Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Führungskräfte. Neben klassischen Präsenzangeboten sowie Fach- und Printmedien bietet die BGHM auch zahlreiche Online-Informationen zu den Themen Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit an.

Wenn sich in einem Berufskrankheiten-Verdachtsfall herausstellt, dass eine relevante Einwirkung beziehungsweise Gefährdung am aktuellen Arbeitsplatz vorliegt, erfolgt zunächst zeitnah eine individuelle Beratung am Arbeitsplatz zusammen mit dem Unternehmer/der Führungskraft. Darüber hinaus können technische Maßnahmen unterstützt werden und gegebenenfalls optimierte Persönliche Schutzausrüstung für einen Zeitraum zur Verfügung gestellt werden. Die individualpräventiven Maßnahmen der BGHM ersetzen aber nicht die Verpflichtung zur Prävention seitens des Arbeitgebers nach dem Arbeitsschutzgesetz.

Wenn es um die Früherkennung möglicher Spätfolgen vergangener Einwirkungen durch krebserzeugende Gefahrstoffe geht, sollte das Vorsorgeportal der DGUV (https://www.dguv-vorsorge.de/vorsorge/index.jsp) genutzt werden.

Der sogenannte Unterlassungszwang war bisher zwingende Anerkennungsvorausset-zung bei einigen Berufskrankheiten. Welche Auswirkungen hat der Wegfall des Unterlassungszwangs?

Dr. Bernd Rose: Der frühere Unterlassungszwang bedeutete, dass Versicherte bei bestimmten Erkrankungen die schädigende Tätigkeit aufgeben mussten. Anderenfalls wurde ihre Erkrankung nicht als Berufskrankheit anerkannt. Dies verfolgte hauptsächlich zwei Ziele: Aus präventiven Gründen sollten Versicherte ihre Gesundheit durch einen Verbleib am bisherigen Arbeitsplatz nicht weiter schädigen. Zweitens sollte es bewirken, dass Bagatellerkrankungen, die eine Aufgabe der schädigenden Tätigkeit nicht rechtfertigen, aus dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeklammert wurden.

Bei neun von aktuell 82 in der Berufskrankheiten-Liste aufgeführten Erkrankungen war der Unterlassungszwang bisher zwingende Anerkennungsvoraussetzung. Mit den Hauterkrankungen, den Atemwegsobstruktionen und den bandscheibenbedingten Wirbelsäulenerkrankungen befinden sich Krankheiten unter diesen neun Berufskrankheiten, die häufig angezeigt werden.

Durch den Wegfall des Unterlassungszwangs müssen jetzt vermehrt förmliche Feststellungsverfahren stattfinden. Bisher wurden in diesen Fällen nur Maßnahmen und Leistungen der Individualprävention nach Paragraf 3 der Berufskrankheiten-Verordnung erbracht. Der Wegfall des Unterlassungszwangs führt ab diesem Jahr auch zu deutlich mehr Verwaltungsentscheidungen über das Vorliegen einer Berufskrankheit.

Anstelle des Zwangs zur Aufgabe einer Tätigkeit sind jetzt andere Maßnahmen vorgesehen. Welche sind das?

Dr. Bernd Rose: Um Verschlimmerungen und das Wiederauftreten von Erkrankungen zu verhindern, soll die Individualprävention gestärkt werden. Der Paragraf 9 Abs. 4 des Sozialgesetzbuches (SGB) VII sieht dabei ein enges Zusammenwirken von Versicherten, Arbeitgebenden sowie Unfallversicherungsträgern vor. Zusätzlich sind jetzt die Unfallversicherungsträger zu einer umfassenden Beratung über die mit der weiteren Tätigkeitsausübung verbundenen Gefahren und möglichen Schutzausrüstungen aufgerufen. Dem steht die Pflicht der Versicherten gegenüber, an Maßnahmen der Individualprävention aktiv mitzuwirken.

Außerdem hat der Gesetzgeber einzelne Berufskrankheiten-Tatbestände angepasst. So zum Beispiel bei den bandscheibenbedingten Erkrankungen der Wirbelsäule (BK 2108 bis 2110). Sie sind nur noch zu entschädigen, wenn sie zu chronischen oder chronisch wiederkehrenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen geführt haben. Welche Kriterien künftig an den Tatbestand der Schwere der Hauterkrankungen heranzuziehen sind, wird aktuell im Zuge der Aktualisierung der Begutachtungsempfehlung „Bamberger Empfehlung“ beraten.


(Quelle: "Krank durch die Arbeit? Berufskrankheiten im Metallhandwerk" in: Metall aktuell, 2/2021)